Tauchsieder
Dunkle Wolken über einem Teil des Reichstagsgebäudes Quelle: dpa

Wann zuletzt war deutsche Wirtschaftspolitik so schlecht?

Eine Regierung ohne Regierungsanspruch. Parteien ohne Gestaltungslust. Minister mit Mikromanagement-Fantasien für den Bankensektor. Die Politik verabschiedet sich von ihrem Anspruch.

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Parteien sind in modernen Demokratien das Bindeglied zwischen Staat und Gesellschaft, so sieht es bekanntlich auch das deutsche Grundgesetz vor: Sie wirken „bei der politischen Willensbildung des Volkes“ mit, heißt es in Artikel 21. Das bedeutet so viel wie: Die Parteien sind Foren für die politischen Anliegen ihrer Bürger, für die Gestaltung des Miteinanders im öffentlichen Raum. Sie bündeln, diskutieren und multiplizieren Vorstellungen und Interessen, mit denen einzelne Bürger sich nicht leicht Gehör verschaffen können. Soweit die Theorie.

In der Praxis haben sich vor allem die drei Regierungsparteien von der politischen Willensbildung ihrer Bürger längst abgemeldet, um stattdessen unselig Einfluss auf Unternehmen und Institutionen zu nehmen. Weniger politisches Rahmen-Makro, mehr situatives Interventions-Mikro sozusagen. Die Schäden für den Wirtschaftsstandort Deutschland sind mittlerweile immens.

Olaf Scholz und seine SPD zum Beispiel. Der Finanzminister ist weiterhin der Meinung, dass „die global agierende deutsche Industrie konkurrenzfähige Kreditinstitute“ braucht, „die sie in aller Welt begleiten können“. Er hat daher eine Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank angeregt, ja initiiert – obwohl fast alle Experten von Anfang an der Meinung waren, das sei eine schlechte Idee. Aus den Kadern zweier Zweitligisten lässt sich nun einmal kein Champions-League-Kandidat formen.

Ein Zusammenschluss hätte außerdem das Klumpenrisiko mit Blick auf die nächste, sich längst abzeichnende Finanzkrise vergrößert, die Suche nach einem tragfähigen Geschäftsmodell in beiden deutschen Geldkonzernchen gelähmt und hohe Arbeitsplatzverluste bedeutet. Am Donnerstag bliesen Deutsche Bank und Commerzbank das Vorhaben ab und beendeten damit die industriepolitischen „Blütenträume von der Bildung nationaler Champions“, wie es der CSU-Abgeordnete Hans Michelbach nannte.

Besser ist das. Das Mikro-Management der Geldwirtschaft ist, frei nach FDP-Chef Christian Lindner, eine „Sache für Profis“, nicht für Sozialdemokraten mit politischen Großmanagement- und Lenkungsfantasien. Wie wäre es, wenn der Minister sich zur Abwechslung ordnungspolitisch-rahmensetzenden Makro-Dingen in seinem Ressort zuwenden würde, die alle Bürger angehen? Wenn er etwa Vorschläge für Steuersenkungen vorlegte? Mit einer Haushaltspolitik der klaren Schwerpunkte (mehr Sicherheit und Investition, weniger Scheinsoziales) Diskussionen anstieße? Mit Initiativen zur Regulierung von Briefkastenfirmen oder zur Gestaltung eines europäischen Rahmens für den unregulierten Geldmarkt (Hedge- und Investmentfonds) jenseits der Banken überraschte? Themen gibt es weiß Gott genug.

Oder nehmen wir Andreas Scheuer und die CSU, Christian Lindner und seine FDP. Sie treten seit Monaten wahlweise als Cheflobbyisten der Autoindustrie oder aber als Clowns der Energie- und Mobilitätswende in Erscheinung. Sie mogeln, tricksen und verharmlosen, um Dieselskandal, Feinstaub-Debatten und Grenzwertdiskussionen zu ersticken, gefallen sich als Freibeuter im Dienst des VW-Managements, der BMW-Angestellten und deutschen Hochtempofahrer. Sie versuchen fortlaufend, grüne Naturfreunde als Antispaß-, Antiwirtschafts- und Verbotspartei zu denunzieren und finden im Übrigen Flugtaxis cool und Tretroller witzig. Es ist wirklich erbärmlich.

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